Lineare diophantische Gleichung

Eine lineare diophantische Gleichung (benannt nach dem griechischen Mathematiker Diophantos von Alexandria, vermutlich um 250 n. Chr.) ist eine Gleichung der Form a 1 x 1 + a 2 x 2 + + a n x n + c = 0 {\displaystyle a_{1}x_{1}+a_{2}x_{2}+\dots +a_{n}x_{n}+c=0} mit ganzzahligen Koeffizienten a 1 , . . . , a n {\displaystyle a_{1},...,a_{n}} und c {\displaystyle c} , für die nur ganzzahlige Lösungen gesucht werden.[1] Linear bedeutet, dass die Variablen x 1 , . . . , x n {\displaystyle x_{1},...,x_{n}} nicht in Potenzen auftreten (im Gegensatz zur allgemeinen diophantischen Gleichung).

Auflösung von Gleichungen mit zwei Variablen

Die lineare diophantische Gleichung

a x + b y = c ( ) {\displaystyle ax+by=c\qquad (*)}

mit vorgegebenen ganzen Zahlen a , b , c {\displaystyle a,b,c} hat genau dann ganzzahlige Lösungen in x {\displaystyle x} und y {\displaystyle y} , wenn c {\displaystyle c} durch den größten gemeinsamen Teiler ( g {\displaystyle g} ) von a {\displaystyle a} und b {\displaystyle b} teilbar ist. D.h. die linke Seite ist durch g {\displaystyle g} teilbar, also muss auch c {\displaystyle c} durch g {\displaystyle g} teilbar sein. Wir nehmen dies im Folgenden an.

Wie bei jeder linearen Gleichung ist die Differenz zweier Lösungen eine Lösung der zugehörigen homogenen Gleichung

a x + b y = 0. {\displaystyle ax+by=0.\,}

Sucht man also eine Lösung der ursprünglichen, inhomogenen Gleichung ( ) {\displaystyle (*)} , man spricht dann von einer „Partikularlösung“, so erhält man durch Superposition mit den Lösungen der homogenen Gleichung sämtliche anderen Lösungen der inhomogenen Gleichung ( ) {\displaystyle (*)} .

Geometrisch interpretiert sind P := ( x , y ) {\displaystyle P:=(x,y)} Gitterpunkte mit ganzzahligen Koordinaten in der Euklidischen Ebene, die auf der durch ( ) {\displaystyle (*)} definierten Geraden liegen.

Lösungen der homogenen Gleichung

Schreibt man a = g a {\displaystyle a=ga'} und b = g b {\displaystyle b=gb'} mit g = ggT ( a , b ) {\displaystyle g=\operatorname {ggT} (a,b)} , so ist die homogene Gleichung äquivalent zu

a x = b y , {\displaystyle a'x=-b'y,}

und da a {\displaystyle a'} und b {\displaystyle b'} teilerfremd sind, ist x {\displaystyle x} durch b {\displaystyle b'} , und y {\displaystyle y} durch a {\displaystyle a'} teilbar. Sämtliche Lösungen der homogenen Gleichung sind also durch

x = t b , y = t a {\displaystyle x=tb',\quad y=-ta'}

für eine beliebige ganze Zahl t {\displaystyle t} gegeben.

Auffinden einer Partikularlösung

Mithilfe des erweiterten euklidischen Algorithmus kann man Zahlen u , v {\displaystyle u,v} bestimmen, so dass

a u + b v = g {\displaystyle au+bv=g} mit g = ggT ( a , b ) {\displaystyle g=\operatorname {ggT} (a,b)}

gilt. Setzt man s = c / g , {\displaystyle s=c/g,} so ist

x 0 = s u , y 0 = s v {\displaystyle x_{0}=su,\quad y_{0}=sv}

eine Lösung der Gleichung ( ) {\displaystyle (*)} .

Gesamtheit der Lösungen

Die Gesamtheit der Lösungen von ( ) {\displaystyle (*)} ist gegeben durch

x = x 0 + t b , y = y 0 t a {\displaystyle x=x_{0}+tb',\quad y=y_{0}-ta'}

für beliebige ganze Zahlen t {\displaystyle t} .

Explizite Lösung mittels Satz von Euler

Der Satz von Euler lautet

Aus g g T ( a , b ) = 1 {\displaystyle \mathrm {ggT} (a,b)=1} folgt a φ ( b ) 1 ( mod b ) {\displaystyle a^{\varphi (b)}\equiv 1{\pmod {b}}} .

Darin ist φ ( b ) {\displaystyle \varphi (b)} die Eulersche Phi-Funktion, d. h. die Anzahl der zu b {\displaystyle b} teilerfremden Restklassen.

Wir nehmen zur Vereinfachung an, dass der g g T {\displaystyle \mathrm {ggT} } bereits herausdividiert ist und deshalb g g T ( a , b ) = 1 {\displaystyle \mathrm {ggT} (a,b)=1} gilt.[2] Dann betrachtet man die Gleichung ( ) {\displaystyle (*)} modulo b {\displaystyle b} , was a x c ( mod b ) {\displaystyle ax\equiv c{\pmod {b}}} ergibt. Der Satz von Euler liefert dann eine explizite Lösung x {\displaystyle x} , nämlich

x c a φ ( b ) 1 ( mod b ) {\displaystyle x\equiv ca^{\varphi (b)-1}{\pmod {b}}} ,

d. h. alle Zahlen der Form x = c a φ ( b ) 1 + t b {\displaystyle x=ca^{\varphi (b)-1}+tb} .

Eingesetzt in die Ausgangsgleichung ergibt das

y = c 1 a φ ( b ) b t a {\displaystyle y=c{\frac {1-a^{\varphi (b)}}{b}}-ta} ,

was nach dem Satz von Euler ebenfalls eine ganze Zahl ist.

Berechnungsbeispiel

Die Gleichung

6 x + 10 y = 100 {\displaystyle 6x+10y=100}

soll gelöst werden.

Partikularlösung

Bei einfachen Zahlenbeispielen wie diesem lässt sich eine Partikularlösung leicht ablesen oder erraten, hier zum Beispiel ( x , y ) = ( 0 , 10 ) {\displaystyle (x,y)=(0,10)} .

Der erweiterte euklidische Algorithmus liefert für die gegebene Gleichung

10 = 1 6 + 4 6 = 1 4 + 2 (2 ist der ggT von 6 und 10) 4 = 2 2 + 0 {\displaystyle {\begin{matrix}10&=&1\cdot 6&+&4\\6&=&1\cdot 4&+&2&\qquad {\mbox{(2 ist der ggT von 6 und 10)}}\\4&=&2\cdot 2&+&0\\\end{matrix}}}

Es folgt 2 = 6 4 = 6 ( 10 6 ) = 2 6 + ( 1 ) 10 {\displaystyle 2=6-4=6-(10-6)=2\cdot 6+(-1)\cdot 10} . Durch Multiplikation mit 100 / 2 = 50 {\displaystyle 100/2=50} ergibt sich:

100 = 100 6 + ( 50 ) 10 , {\displaystyle 100=100\cdot 6+(-50)\cdot 10,}

also die Partikularlösung ( x , y ) = ( 100 , 50 ) . {\displaystyle (x,y)=(100,-50).}

Lösungen der homogenen Gleichung

Es ist a = 6 , b = 10 , g = 2 {\displaystyle a=6,b=10,g=2} , also a = 3 , b = 5 {\displaystyle a'=3,b'=5} . Die homogene Gleichung

6 x + 10 y = 0 {\displaystyle 6x+10y=0}

hat also die Lösungen ( x , y ) = ( 5 t , 3 t ) {\displaystyle (x,y)=(5t,-3t)} für ganze Zahlen t . {\displaystyle t.}

Gesamtheit der Lösungen

Alle Lösungen ergeben sich also als

( x , y ) = ( 100 + 5 t , 50 3 t ) , {\displaystyle (x,y)=(100+5t,-50-3t),}

beispielsweise sind die Lösungen mit nichtnegativen x {\displaystyle x} und y {\displaystyle y}

t = 20 : ( 0 , 10 ) t = 19 : ( 5 , 7 )     t = 18 : ( 10 , 4 ) t = 17 : ( 15 , 1 ) {\displaystyle {\begin{matrix}t=-20:&(0,10)\\t=-19:&(5,7)\ \ \\t=-18:&(10,4)\\t=-17:&(15,1)\end{matrix}}}

Explizite Lösung mittels Satz von Euler

Nach dem Dividieren durch den g g T = 2 {\displaystyle \mathrm {ggT} =2} erhält man a = 3 , b = 5 , c = 50 {\displaystyle a=3,b=5,c=50} . Mit φ ( 5 ) = 4 {\displaystyle \varphi (5)=4} ergibt sich folglich

x = 50 3 3 + 5 t = 1350 + 5 t {\displaystyle x=50\cdot 3^{3}+5t=1350+5t}  und
y = 50 1 3 4 5 3 t = 800 3 t {\displaystyle y=50{\frac {1-3^{4}}{5}}-3t=-800-3t} .

Literatur

  • Alexander Ossipowitsch Gelfond: Die Auflösung von Gleichungen in ganzen Zahlen (diophantische Gleichungen) (= Kleine Ergänzungsreihe zu den Hochschulbüchern für Mathematik. Band 5). Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1973. 
  • Online-Tool zum Lösen von linearen diophantischen Gleichungen
  • Beispiel: Ein Bauer …
  • Lösen von Linearen Diophantischen Gleichungen mit erweitertem Euklidschem Algorithmus

Einzelnachweise

  1. Ilja Nikolajewitsch Bronstein, Konstantin Adolfowitsch Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik. 5. Auflage. Verlag Harri Deutsch, 2000, ISBN 3-8171-2005-2, S. 335. 
  2. E. Krätzel: Zahlentheorie. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1981, S. 24.